Agile Techniken im Projektmanagement

Die klassischen und agilen Techniken bilden die Werkzeuge, die Sie im Verlauf des Projektmanagement-Prozesses einsetzen können. Innerhalb des Prozesses können Sie durchaus klassische und agile Techniken kombinieren– teilweise existieren auch keine entsprechenden Substitute.

Abhängig von den Rahmenbedingungen des Projekts bzw. dem Projektumfeld können die einzelnen agilen Techniken angewendet werden. Bei der Auswahl der Techniken sollten Sie beachten, dass die Akzeptanz im Team und der entsprechende organisatorische Rahmen vorhanden sein müssen und der Nutzen der Technik den Aufwand übersteigen sollte. Agiles Projektmanagement bedeutet jedoch nicht willkürliches Auswählen und Anwenden der einzelnen Techniken. Auch wenn Sie im klassischen Projektmanagement agiler arbeiten möchten, sollten Sie bei der Auswahl darauf achten, dass der Grundgedanke der agilen Werte und Prinzipien erhalten bleibt und die Techniken zueinander passen. Wenn Sie beispielsweise ein iteratives Verfahren einführen möchten, so funktioniert dies nicht ohne regelmässige Reviews, um das Kundenfeedback abzuholen.

Nachfolgend sind die gängigsten agilen Techniken aufgeführt, welche zur gemeinsamen Steuerung des Projektes (Prinzip der Selbstorganisation) sowie zur Kontrolle der Projektanforderungen und des Projektes selbst nützlich sind.

Steuern von Projekten 
Task Board:Übersicht über aktuelle Aufgaben und ihren Bearbeitungsstand (z.B. anstehend, in aktueller Iteration anstehend, in Arbeit, erledigt), die regelmässig vom Projektteam aktualisiert wird 
Daily-Standup-Meeting:tägliche Steh-Sitzung (ca. 15min) vor dem Task Board zur Unterstützung der Kommunikation und des Informationsflusses zu den Themen: erledigte Arbeiten, anstehende Arbeitspakete für den aktuellen Tag, aktuelle Herausforderungen / Hindernisse 
Osmotische Kommunikation:Herstellen eines gleichen Informationsstandes durch gemeinsame Räume und informelle Kommunikations-Tools (z.B. Chat-Tools) 
Work-in-Progress-Limits:Begrenzen von parallelen Aufgaben zur Wahrung der Produktivität durch einen individuell optimalen WIP-Wert (Kontrolle über Task Board) 
   
Erfüllen von Projektanforderungen 
Use Cases:Beschreiben der Anforderungen aus Kundensicht (Anwendungsfälle) mit dem Ziel, eine Beschreibung der Funktionalität des Produktes in der Sprache des Kunden zu erhalten (insbesondere für Softwareentwicklung geeignet)
Epic:Zusammenfassen von verwandten Anwendungsfällen (use cases)
Geschäftswert:Einstufen des Nutzens bzw. der Wichtigkeit einer Anforderung aus Kundensicht durch Befragen der Stakeholder
Persona:Beschreiben eines Kundentyps durch Bündelung bestimmter Kundenbedürfnisse und Aspekte von Anwendungsfällen (Einnehmen der Kundenperspektive)
  
Projektkontrolle
Planning Poker:Schätzen von Aufwänden in einem dynamischen Verfahren mit Schätzkarten
Story Points:abstrakte Einheit für Komplexität bzw. Aufwandsschätzungen
Timeboxing:Vorgehensweise nach dem Grundsatz, dass Zeitvorgaben zwingend eingehalten werden (auch wenn dies bedeutet, dass der Projektumfang reduziert werden muss)
Burn-Down-Charts:Visualisieren des Arbeitsstandes zur kontinuierlichen Fortschrittskontrolle
Definition of Done:Kriterienkatalog zur Festlegung, wann eine Aufgabe als erledigt gilt
Earned Value:Fortschritts- und Budgetkontrolle basierend auf dem Vergleich der kumulierten Kosten und erledigten Aufgaben


verwendete Quellen:

Preussig, J. (2015). Agiles Projektmanagement – Scrum, Use Cases, Task Boards & Co. Freiburg: Haufe. 

Methoden im agilen Projektmanagement
Agile Methoden bauen ebenfalls auf den agilen Werten und Prinzipien auf und liefern den agilen Techniken eine Gesamtstruktur für das Projektmanagement. Anders formuliert liefert eine agile Methode die Rahmenbedingungen für die Anwendung agiler Techniken, welche Sie (in einem sinnvollen Ausmass) auf das konkrete Projekt anpassen können. Die folgenden agilen Methoden sind teilweise bekannter, teilweise unbekannter, werden jedoch fast ausschliesslich in der Softwareentwicklung angewendet:

  • Scrum
  • Kanban
  • Unified Process
  • Extreme Programming
  • FDD
  • RAD
  • Agile Enterprise

Die bekanntesten Vertreter von agilen Methoden sind Scrum und Kanban, wobei Kanban in der einschlägigen Literatur nicht überall als agile Methode anerkannt ist. Die beiden Methoden werden anschliessend genauer vorgestellt – einerseits aufgrund ihres Bekanntheitsgrades und andererseits da Sie sie auch ausserhalb der Softwareentwicklung sinnvoll anwenden können.

Scrum
Der Begriff Scrum wurde aus dem Sport abgeleitet. Scrum bezeichnet im Rugby eine Formation des Teams – das Team klammert sich aneinander, um sich für einen gewissen Abschnitt gemeinsam als Einheit bewegen zu können. Scrum schreibt nicht vor, welche agilen Techniken verwendet werden sollen, sondern setzt die Rahmenbedingungen fest. Es handelt sich dabei um eine disruptive Methode, welche neue Arbeitsweisen, Rollen etc. verlangt. Scrum zeichnet sich insbesondere durch folgende Merkmale aus:

  • 3 Prinzipien der empirischen Prozesskontrolle (Transparenz, regelmässige Inspektionen, Anpassung)
  • 3 Rollen (Product Owner, Scrum Master, Development Team)
  • 3 Artefakte (Product Backlog, Sprint Backlog, Inkrement)
  • 5 «Events» (Sprint, Spring Plannung, Daily Scrum, Sprint Review, Sprint Retroperspective

Zu Beginn werden die Anforderung aus Kundensicht durch den Product Owner in der Grundversion des Product Backlog festgehalten. Im ersten Teammeeting eines Sprints (Sprint Planning) wird der Inhalt des Sprints, basierend auf dem Product Backlog, definiert und im Sprint Backlog festgehalten. Während des maximal vier Wochen dauernden Sprints wird ein Teilergebnis (Inkrement) erarbeitet und ein täglicher, maximal 15-minütiger Daily Scrum im Team abgehalten. Der Scrum Master managt in dieser Zeit den Prozess. Am Ende eines Sprints wird ein Sprint Review zur kritischen Besprechung des Ergebnisses sowie ein Sprint Retrospective-Meeting zur Besprechung der Zusammenarbeit im Team etc. durchgeführt und das Product Backlog gepflegt. Anschliessend setzt der iterative Prozess wieder beim Sprint Planning Meeting an.

Im Gegensatz zum klassischen Projektmanagement sieht Scrum keine Projektleitung vor, da es bei Scrum primär um Prozess- und nicht Projektmanagement geht. Die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sind im Team und auf den Scrum Master verteilt. Eine Besonderheit von Scrum ist zudem die absolute Striktheit bezüglich Einhaltung von Terminen und Zeitfenstern und die grundsätzliche Unveränderlichkeit der Rollen, Artefakte, Ereignisse und Regeln.

Kanban
Im Gegensatz zu Scrum wird Kanban nicht als disruptiv, sondern «nur» als evolutionär bezeichnet. Die Kanban-Methode stammt ursprünglich aus dem Produktionssystem von Toyota (japanisch «kanban» bedeutet «Signalkarte») und steuert den Material- und Arbeitsfluss. Kanban beruht auf den folgenden sechs Praktiken:

  • «Mach Arbeit sichtbar.»
  • «Limitiere den Work-in-Progress, also die Menge an begonnener Arbeit.»
  • «Manage Flow.»
  • «Mach Prozessregeln explizit.»
  • «Implementiere Feedbackmechanismen.»
  • «Führe gemeinschaftlich Verbesserungen durch.»

Das Herzstück des Kanban Systems und der Teambesprechungen bildet das Kanban Board. Hier wird der Arbeitsstand der Produktion, des Projektes o.ä. visualisiert. Dabei werden die Arbeitsschritte bzw. -einheiten in Form von «Tickets» (z.B. Post-it) auf dem Kanban Board gesammelt. Das Kanban Board weist verschiedene Spalten auf, welche die unterschiedlichen Bearbeitungsphasen darstellen: beispielsweise vom Ideenspeicher (Backlog) über «nächste Arbeiten», «in Konzeption», «in Verfeinerung» bis «erledigt». Dabei zeichnet sich Kanban dadurch aus, dass die Anzahl Arbeitseinheiten, welche gleichzeitig bearbeitet werden, limitiert sind (WIP-Limit). Im Gegensatz zu Scrum kennt Kanban keine festgelegten Sprints, Iterationen oder festgelegte Rollen und lässt sich relativ flexibel ausgestalten.

verwendete Quellen:

Kusay-Merkle, U. (2018). Agiles Projektmanagement im Berufsalltag. Berlin: Springer Gabler.

Lang, M. & Scherber, S. (Hrsg.) (2019). Der Weg zum agilen Unternehmen. Strategien, Potenziale, Lösungen. München: Hanser.

Preussig, J. (2015). Agiles Projektmanagement – Scrum, Use Cases, Task Boards & Co. Freiburg: Haufe.

Geraldine Pellet
Betriebsökonomin FH, Master of Science FHO in Business Administration